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"Nicht zum Verzehr geeignet?" Die Novel-Food-Verordnung der EU

Manchmal sitze ich da, halte eines unserer Produkte in der Hand, betrachte das Etikett und denke mir: das wirkt fast schon widersprüchlich. Da steht also „Artemisia Annua“, eine Pflanze mit Jahrtausende alter Geschichte, von traditionellen Medizinsystemen geschätzt und weltweit verwendet und direkt darunter prangt dieser eine Satz: nicht zum Verzehr geeignet. Und spätestens da fragen sich viele: ja was denn jetzt? Heilen darf sie nicht, gegessen werden auch nicht, was soll ich dann damit?

Die Antwort ist ein wenig komplizierter. Und sie hat, wie so oft, wenig mit der Pflanze selbst zu tun und sehr viel mit rechtlichen Rahmenbedingungen. Oder besser gesagt: mit der sogenannten Novel Food Verordnung der Europäischen Union. Und um es gleich vorwegzunehmen: Nein, wir wollen euch nicht verschaukeln. Und ja, wir finden die ganze Sache auch oft genug kafkaesk.

Was ist eigentlich „Novel Food“? Ganz trocken gesagt: es sind Lebensmittel, die in der EU vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Klingt erstmal harmlos. Klingt nach „neuartig“. Nach Dingen, die gerade erst erfunden wurden. Nach Labor und Gentechnik vielleicht. Aber Artemisia Annua? Diese Pflanze, die in China schon seit Jahrhunderten gegen allerlei Beschwerden verwendet wird? Die in manchen Regionen täglich als Tee getrunken wird? Die zählt also auch zu den „neuartigen Lebensmitteln“?

Die Antwort ist leider: ja. Zumindest aus Sicht der Behörden. Denn für die EU zählt nicht die globale oder traditionelle Verwendung, sondern ausschließlich der Nachweis, dass ein bestimmtes Lebensmittel in der EU vor 1997 bereits in größerem Umfang konsumiert wurde. Und dieser Nachweis ist bei Artemisia Annua eben nicht eindeutig dokumentiert. Es gibt keine groß angelegte europäische Teekultur rund um diese Pflanze, keine Supermarktregale voller Beifußtee von vor 30 Jahren. Und genau das ist das Problem.

Ohne diesen Nachweis darf Artemisia Annua also nicht als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Und ja, das gilt selbst dann, wenn ein Produkt zu 100 Prozent aus getrockneten Blättern besteht, ohne irgendwelche Zusätze, ohne Extrakte, ohne Versprechen. Rein rechtlich macht das keinen Unterschied. Sobald es als verzehrfähig deklariert wird, fällt es unter die Novel-Food-Verordnung. Und das bedeutet: Zulassungspflicht. Prüfverfahren. Sicherheitsbewertungen. Eine Registrierung, die in der Praxis sehr aufwändig und teuer ist. Und die kaum ein kleines Unternehmen mal eben so stemmen kann.

Also bleibt uns, und vielen anderen Anbietern, nur eine einzige Möglichkeit: unsere Produkte ganz offiziell nicht zum Verzehr zu deklarieren. Auch wenn es paradox klingt. Auch wenn wir wissen, dass viele Menschen ganz andere Erfahrungen mit der Pflanze gemacht haben. Auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass hier vor allem Bürokratie vor gesundem Menschenverstand steht.

Natürlich führt das zu Missverständnissen. Manche Kundinnen und Kunden schreiben uns, ob das denn bedeutet, dass die Pflanze giftig sei. Oder ob man Angst haben müsse, wenn man sie trotzdem trinkt. Und hier wird es schwierig. Denn als Anbieter dürfen wir in dem Moment, in dem wir die Verzehrbarkeit ausschließen, eben auch keine Empfehlungen mehr geben. Keine Dosierungstipps, keine Anwendungen, keine Wirkungsversprechen. Wir dürfen nicht einmal mehr den Satz sagen: „Das können Sie als Tee aufgießen“, ohne Gefahr zu laufen, rechtlich belangt zu werden.

Was also tun? Transparenz ist für uns der einzige Weg. Deshalb schreiben wir es drauf. Schwarz auf weiß. Auch wenn wir wissen, dass es Fragen aufwirft. Auch wenn es manchmal wie ein Etikett der Ohnmacht wirkt. Wir tun es, weil wir die Pflanze lieben. Weil wir sie in ihrer ganzen Komplexität respektieren. Und weil wir sie weiterhin in bester Qualität anbieten wollen, ohne juristische Stolpersteine.

Und vielleicht ändert sich ja irgendwann etwas. Vielleicht wird Artemisia Annua eines Tages in Europa als das anerkannt, was sie für viele Kulturen schon lange ist: ein pflanzlicher Schatz mit großem Potenzial. Bis dahin gilt leider: wer sie konsumiert, tut das auf eigene Verantwortung. Und wir halten uns an das, was das Gesetz verlangt.

Denn manchmal muss man ehrlich sagen: nicht jede Wahrheit passt auf ein Etikett. Dabei gibt es noch so viele andere Wege, diese Pflanze zu erleben. Wer Artemisia Annua nicht trinken darf, muss sie nicht gleich aus dem Leben verbannen. Im Gegenteil: sie entfaltet auch auf ganz andere Art ihre Kraft. Beim Räuchern zum Beispiel. Der Duft ist herb, eigen, fast meditativ. Er klärt, er beruhigt, er öffnet Räume – nicht nur im Außen, sondern oft auch im Inneren. In vielen Traditionen wird Artemisia schon lange geräuchert, sei es zur Reinigung, zur energetischen Klärung oder einfach, um sich selbst wieder ein Stück näherzukommen. Und genau da liegt für uns auch ein Schlüssel: diese Pflanze kann mehr als nur „gegessen“ werden. Sie ist ein Ritual, ein Begleiter, ein Impulsgeber. Wer offen ist für andere Formen der Anwendung, entdeckt vielleicht sogar neue Wege, die tiefer gehen als jede Tasse Tee.